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Anteil des Feminismus
Wie es aussieht1, können in gleichberechtigten Gesellschaften nicht gleichzeitig Nomina Agentis, also Oberbegriffe (wie teacher, lærar, Lehrer) und auf asymmetrische Art daraus abgeleitete Endungen nur für Frauen (teacheress, lærarinna, Lehrerin) überleben.
Während unsere Geschwistersprachen ihre Feminina abschafften, stellten wir sie ins Rampenlicht und eliminieren statt dessen unsere Oberbegriffe.
Dass der Weg unserer Geschwistersprachen der bessere zu sein scheint, zeigen deren deutlich bessere Positionen in allen Gender-Equality-Rankings. Verbindende Oberbegriffe für alle Menschen zu haben, scheint der Gleichheit besser zu bekommen als ständig Geschlechter nennen zu müssen, dabei die Frauen sprachlich den Männern unter zu ordnen und zu guter letzt eine Minderheit zu diskriminieren, die 2017 vom BVG ausdrücklich vor Diskriminierung geschützt wurde.
Im aktuellen Kapitel geht es nun darum, wie es zu dieser paradoxen Situation gekommen ist. Erst einmal geht es nur um den Anteil des Feminismus, später den der NS-Zeit.
Bei der Suche nach einer Antwort reicht ein Blick in die Entstehungszeit der feministischen Linguistik. Eine klare Ansage machte 1984 Luise Pusch, die über mehr als 50 Jahre hinweg die „gendergerechte Sprache“ prägte, unter anderem mit der Erfindung der Sprachpause, und die für ihre Leistungen 2025 das Bundesverdienstkreuz bekam2:
„Wenn wir Frauen auf dem Femininum bestehen, machen wir damit das Maskulinum geschlechtsspezifisch: In Ausdrücken wie Kolleginnen und Kollegen ist Kollege geschlechtsspezifisch, bezieht sich nur auf Männer. Wenn maskuline Bezeichnungen sich nur auf Männer beziehen können, sind sie, per definitionem, nur noch geschlechtsspezifisch und nicht mehr ‚auch geschlechtsneutral‘, wie bisher über sie behauptet wird.
Sie bekommen damit den gleichen Status wie die weiblichen Bezeichnungen, die auch nicht ‚neutral‘ für das andere, männliche Geschlecht stehen können.“Pusch, L.F.: Weibliche Personenbezeichnungen als Mittel weiblicher Realitätsdefinition. In: Kürschner, W./ Vogt, R., unter Mitwirkung von S. Siebert-Nemann [Hg.] Sprachtheorie, Pragmatik, Interdisziplinäres. Akten des 19. Linguistischen Kolloquiums Vechta 1984 (LA 157). Bd. 2. Tübingen: 257-273, hier S. 264
Frau Pusch benennt hier unmissverständlich ein Ziel und eine Strategie, um dorthin zu gelangen:
- Das Ziel: Das „Maskulinum3“ soll „geschlechtsspezifisch“ werden, also seine generische Funktion verlieren. Kurzbegriffe wie „Kollegen“ sollen also nicht mehr für alle Menschen gelten, sondern nur noch für Männer.
Das Ziel war also schon 1984 nichts weniger als die Eliminierung von ca. 15.000 Nomina Agentis, einer wirklich wichtigen Wörtergruppe.- Die Strategie: Erreicht werden sollte das Ganze, indem „wir Frauen“ stets auf dem Femininum bestehen und Doppelnennungen verwenden. Also statt „Meine Kollegen“ nur noch „Meine Kollegen und Kolleginnen“ sagen.
Die Strategie wirkte. Eine kleine Gruppe von Frauen schaffte es, mit regelmäßigem Gebrauch von Doppelnennungen und hartnäckiger Wiederholung einer inzwischen als unzutreffend erkannten Behauptung, in weniger als 10 Jahren das anvisierte Ziel sogar in der bundesdeutschen Rechtsprechung festzuschreiben.
Dazu klagte im April 1993 die Saarländerin Marlies Krämer vor Gericht. Der Anlass war eine scheinbar banale Situation, uns allen bekannt, wenn wir im Bürgerbüro den neuen Reisepass abholen. Sie weigerte sich, ihn in Empfang zu nehmen, denn im Feld zur Empfangsbestätigung, also dort, wo sie unterschreiben musste, stünde nur das Wort „Inhaber“. Sie aber sei eine „Inhaberin“. Mit ihrer Unterschrift würde sie als Frau in einem Textfeld für Männer unterschreiben.
Das Verwaltungsgericht des Saarlandes gab ihr Recht und urteilte, dass die ausschließliche Verwendung des „Maskulinums“ auf Formularen diskriminierend sei. Kurze Zeit nach diesem Urteil ordnete der Bundesrat die Umschreibung aller deutschen Behördenformulare in die Doppelnennungs-Sprache (z.B. „Inhaber bzw. Inhaberin“) an.
Vom akademischen Vorschlag zur staatlich verordneten Sprache
In den 9 Jahren zwischen 1984 und 1993 schaffte es somit die Feministische Linguistik, die asymmetrische, sexualisierende Sprache – die Goebbels knapp 50 Jahre zuvor für die Totale-Krieg-Rede millionenfach verbreitete – vom akademischen Vorschlag zur staatlich verordneten Verwaltungssprache zu machen.
Dieser Erfolg der feministischen Linguistik, der nichts anderes bedeutete als das Einleiten des langsamen Sterbens der für unser Zusammenleben wichtigen 15.000 Nomina Agentis, basierte dabei nur auf Vermutungen. Vermutungen, die die Wissenschaft inzwischen widerlegt hat. Die Gerichte hätten das eigentlich ahnen können, denn selbst die Frauen der frühen feministischen Linguistik waren sich über ihren damaligen Weg uneins. Zwei Vorschläge standen damals im Raum4:
- Nach der von Frau Pusch vertretenen Idee wäre es zu einer symmetrischen Sprache gekommen, die auf den kurzen, alle inkludierenden Oberbegriffen aufgebaut hätte. Sie hätte zu der Gleichheit geführt, wie sie das Englische und die skandinavischen Geschwistersprachen schon hatten.
- Der Weg, für den die anderen, linguistisch weniger bewanderten Frauen plädierten, war die Beibehaltung derselben asymmetrischen Sprache, wie sie 40 Jahre zuvor per Volksempfänger verbreitet wurde. Die Frauen entschieden sich also für die Beibehaltung der sprachlichen Unterordnung der Frau unter den Mann, und wollten statt einer sprachlichen Gleichstellung lieber die separate Nennung der Feminina, wenn es um Frauen geht.
Wieso entschieden sich die Akteurinnen damals für den zweiten, den asymmetrischen Weg? Den, der 40 Jahre zuvor 12 Jahre lang durch die NS-Propaganda verbreitet wurde!
Offensichtlich ging es hier nicht um Argumente des Verstandes, sondern unterschwellige.
Wieso wählten die Akteurinnen gerade diesen Weg, trotz seiner Nachteile?5
Waren sich die Frauen der Tragweite ihrer Entscheidung bewußt, oder ging es hier eher darum, dass ihnen die Feminina vertrauter und deswegen sinnvoller vorkamen? Falls ja, woher kam diese Vertrautheit? Aus dem Volksempfänger und den Stimmten vieler, die dieses Aufleben der Feminina als Zeichen der Integration der Frauen ins NS-System mit verbreiteten?
Oder gab es noch andere, tiefer sitzenden Gründe, die einen Taktiker wie Goebbels auf die Idee kommen ließen, die Feminina aus opportunistischen Gründen in die schwierigste seiner Reden einzubauen?
Eine zentrale Säule der NS-Ideologie war das Prinzip der Absonderung und rigoroser Klassifizierung – sei es im Zusammenhang mit Volksgruppen, Rassen oder „nicht-lebenswertem Leben.“ Die strategische Weichenstellung, für die sich die Frauen entschieden, war offensichtlich nicht nur ein logischer Fehlgriff, sondern führt mit ihrer zwanghaften Trennung von Männern und Frauen in dieselbe Richtung. Der erste Vorschlag hätte sie statt dessen vereint.
Dieser historische Fehlgriff setzte eine Kausalkette in Gang, die zwangsläufig zum Gendersprachenstreit führen musste. Statt einen symmetrischen, integrativen Weg zu wählen, entschieden sich die Akteurinnen für die unkritische Fortsetzung eines Musters, das durch die NS-Propaganda in die Sprache getragen wurde: die Sexualisierung vormals generischer Begriffe. Dieser Verlust der generischen Begriffe auf der einen Seite, der entstandene Zwang zur Geschlechternennung auf der anderen Seite erzeugt heute bei vielen das Gefühl, der Sprache beraubt zu werden.
Das Vertrauen in staatliche Institutionen schwindet, was populistischen Kräften eine starke Steilvorlage bietet, die demokratische Debatte zu vergiften. Allen voran die AfD, die im Osten gerade nach dem Ruder greift.
Der Anteil des Feminismus an unserer sexualisierten Sprache ist bestimmt nicht klein.
Wie hoch er in konkreten Zahlen ist, verglichen mit dem des Nationalsozialismus und vielleicht noch weiterer Kräfte, sollte wissenschaftlich untersucht werden.
Was bleibt, ist auf jeden Fall die Verantwortung des Feminismus beim die Sprache wieder auf sicheren Boden bringen.
Ein erster Schritt ist auf jeden Fall das Eingeständnis6, dass die lange am Pranger beschimpften Nomina Agentis seit ihrer Entstehung für Männer und Frauen gleichermaßen galten.
Ein Schritt in die richtige Richtung, selbst wenn die Öffentlichkeit in ihr Sprachempfinden die Beschimpfungen und nicht den Entlastungsbericht der Wissenschaft bernommen hat.
Von diesen Schritten braucht es noch einige mehr. Vor allem braucht es ein Ende der den wissenschaftlichen Erkenntnissen entgegenstehenden gerichtlichen Sprachverbote. Sie führen nicht zu mehr Gerechtigkeit, sondern halten uns von der höheren Gerechtigkeit unserer Geschwistersprachen ab, die auf genau diese Nomina Agentis bauten, die heute bei uns durch Gerichturteile eingeschränkt sind.
Dann sollte sich die Sprache langsam, aber sicher in die Richtung entwickeln, die unsere Geschwistersprachen schon hinter sich haben: Hin zu einer Sprache, die statt zu spalten zusammenführt und niemanden dabei ausschließt. Weder Nonbinäre noch Menschen, die nicht so gut reden können wie andere.
Fußnoten:
- Siehe https://vergendert.de/unser-eigenartiger-weg ↩︎
- Siehe https://luisepusch.de ↩︎
- Heute wissen wir, dass die Kritik am „generischen Makulinum“ auf zwei falschen Fakten“ beruht:
1. Als die Nomina Agentis entstanden, gab es nur ein Genus, welches für alle und alles galt, natürlich auch für Frauen. Erst danach fanden zwei weitere Genera in das Protoindogermanischet: erst das „Neutrum“ (!), später das „Femininum“
2. Eine Fehlbenennung der Genera um 450 vor Chr. in „Maskulin, Feminin und Neutrum“. Faktisch hatten die Genera nie etwas mit Geschlechtern zu tun; wahrscheinlich hätten wir ohne diesen ersten großen Fehler der Sprachwissenschaften heute keinen Gendersprachenstreit, da der größte Teil der Argumentation des Feminismus auf diesem Fehler aufbaut. Details siehe Begriffsklärungen ↩︎ - Luise F. Pusch im Indubio-Podcast von Gerd Buurmann am 23. 7. 2023: Wir hatten vorgeschlagen, wir wollen das “-in” abschafffen. Es ist eine Beleidigung. Dadurch wird also gesagt, die Frau ist sozusagen eine Ableitung, oder eine Abart des Mannes. Und deswegen: alle Movierungen werden abgeschafft, und wir verlassen uns nur noch auf die Artikel. Wir sagen das Lehrer, die Lehrer und der Lehrer.
Da es aber so war, dass, die Frauen haben gesagt, also ich bin jetzt endlich Dramaturgin hier an meinem Theater, ich möchte jetzt nicht in das Dramaturg verschwinden, oder wieder sagen, ich bin ein Dramaturg, ich möchte jetzt mal dass in meiner Sprache ein paar Feminina vorkommen. Und deswegen haben wir gesagt, gut, dann werden wir erst mal die Feminisierung betreiben, dass die Sprache überhaupt mehr Feminina zeigt… ↩︎ - Vor allem: Sprachliche Unterordnung der Frau unter den Mann, Verkomplizierung der Sprache, Ausgrenzung einer Minderheit und Nutzung einer Sprachform, die die Nazis an die Macht brachte (verlinkten Artikel nach „Volksgenossinnen“ durchsuchen; und diesen Abschnitt lesen) und mit der Goebbels dem Volk das Ja zum Totalen Krieg abrang ↩︎
- Immerhin gestand Frau Pusch einen großen Teil des damaligen Fehlers in der Bosetti-late-Night im Gespräch mit Alicia Joe am 22. 4. 2024 ein: „Also es ist richtig, was Sie gesagt haben, dass früher diese Personenbezeichnungen für beide Geschlechter galten. Also das hat gerade Herr Meineke für das Hethitische wieder herausgedröselt. Aber, andererseits interessiert mich das eigentlich nicht, was die Hethiter damals gemacht haben, sondern mich interessiert das, was wir heute unter dieser Männersprache zu leiden haben.“ ↩︎
