Der Weg unserer Sprache in die Sackgasse

Ohne zu verstehen, wie die Sprache in die Sackgasse kam, können wir ihr nicht hinaus helfen.
Diese chronologische Wegbeschreibung wird in den nächsen Wochen kontinuierlich ausgebaut, von der Frühzeit über den Nationalsozialismus bis zum Ende des binären Menschenbildes. Auch vertiefende Seiten werden hinzukommen und hier verlinkt.


Vor 5.000 Jahren: Entstehung von Wörtern wie Jäger, Schreiber, Sänger

Was wir heute wissen: diese Begriffe galten für alle Menschen, die jagten, schrieben oder sangen. Auf keinen Fall waren damit nur, oder besonders Männer gemeint. Wer jagte, war Jäger, egal welches Geschlecht er hatte.
Woher wir das wissen?
Als diese Begriffe entstanden, gab es weder feminine Formen (Jägerin, Sängerin) noch Artikel mit Genera wie “der, die und das“. Die damalige Sprache hatte also schlicht und ergreifend nicht die sprachlichen Mittel, das zu realisieren, was ihr heute vorgeworfen wird.
Wir wissen das seit der Entzifferung einer Keilschrift auf bis zu 4.000 Jahre alten Tontafeln, geschrieben in Hethitisch, einer Geschwistersprache des Urgermanischen. Damit ist die jahrzehntelang gebetsmühlenartig wiederholte Behauptung, mit den “er-Wörtern” wurden schon immer die Männer bevorzugt, eindeutig widerlegt. Dies wird inzwischen selbst von denen anerkannt, die damals diese Behauptung verbreiteten.

Vor 3.000 Jahren: Eine eigene Endung für Frauen

Das „-ini“ entsteht – eine Endung, die sich lange Zeit später, neben ihrer Kennzeichnungsfunktion von Pluralformen, zur ersten direkte Kennzeichnung für Frauen etablieren sollte. Während singende Männer mit zusätzlichen Wörtern umschrieben werden mussten, gab es für singende Frauen nun ein einziges Wort: Sängerin!
Aus dieser Endung haben sich also auf Umwegen jahrtausende später im Deutschen das „-in„, im Schwedischen das „-inna„, im Dänischen/Norwegischen das „-inde„, im Niederländischen das „-es“ und im Englischen das „-ess“ gebildet. Im Isländischen haben sich gleich mehrere Endungen für das Weibliche entwickelt; z.B. „-kona“ für Frauen und „-stelpa“ für Mächen.

Eine offene Frage aber bleibt:
Wieso entwickelte sich das weibliche Movem? War es ein frühes Zeichen für Respekt Frauen gegenüber, oder war es eher eine von Männern geschaffene Markierung von Frauen als Sexualobjekt?
Dass sich gerade all unsere germanischen Geschwistersprachen von ihren jahrtausende alten femininen Endungen getrennt haben spricht eher für den zweiten Grund. Womit sich gleich eine weitere Frage stellt:
Wieso wurde bei uns im Deutschen das „-in“ so wichtig, dass ihm zuliebe heute sogar die Oberbegriffe geopfert werden?

450 vor Christus: kleiner Irrtum, riesige Folgen

Gut gemeint reicht nicht, es muss auch gut sein!
Oder, anders gesagt: Wahrscheinlich hat kaum ein wissenschaftlicher Irrtum solch große Folgen gehabt wie der des griechischen Philosophen und frühen Grammatikers Protagoras.
Er schaute sich Wörter wie Stein, Feuer, Jäger, Luft, Sonne, Kind, Mond und Milch an, und stellte fest, dass er sie in drei Schubladen sortieren konnte. Sie unterschieden sich durch ihre Endungen und die Artikel davor. Ähnlich wie in unserer heutigen Sprache, wo vor den einen Wörter das ‚der‘ steht, vor den anderen das ‚die‘, und vor den dritten das ‚das‘.
Mit seiner Einteilung lag Protagoras richtig; der Fehler passierte beim Benennen der Schubladen:
er nannte sie “maskulin”, “feminin”, und hoppla, eine dritte Gruppe, dann eben noch “unbelebt”; das passte ja auch irgendwie.

Damit stülpte er einer über Jahrtausende hochkomplex und diffizil gewachsenen Sprache unser relativ primitives„Thema Nr. 1“, also die Sexualität über.

Heute wissen wir es besser: die ersten beiden „Genera“ entstanden im Abstand von mehreren hundert Jahren und hatten mit Geschlechtern überhaupt nichts zu tun. Einfacher Beweis: aus den beiden ersten Artikeln gingen unser heutiges “der” und das “das” hervor. Wenn Protagoras richtig gelegen hat, gab es damals noch keine Frauen, aber schon Kinder.
Belegt ist ebenfalls, dass das spätere dritte Genus, aus dem sich einmal das deutsche “die” entwickeln sollte, bei seiner Entstehung ebenfalls nichts mit “weiblich” zu tun hatte, sondern etwas mit Plural.

Protagoras Fehler fiel 2.000 Jahre lang nicht auf; Sprache galt als gottgegeben und wurde nicht angezweifelt.
Völlig anders heute, wo sich ein „Homo deus“ in Sprache genauso eingreift wie in Atomkerne und DNA, meistens ohne die Mechanismen versteht und die Folgen überblickt. Seit 1980 wurde die Sprache auf „Gendergerechtigkeit“ untersucht, leider ohne von Protagoras Fehlbenennung zu wissen. Wenn auf der Schublade Maskulinum drauf steht, dann ist da auch Maskulinum drin; das generische Maskulinum stand am Pranger und konnte sich nicht wehren. Die Sprachwissenschaft konnte beim neuen Tempo nicht mithalten.

Wie stark trägt der auf diesem Fehler beruhende Sprachenstreit zur allgemeinen Empörung gegen „die da oben“ bei, die in den Augen sehr vieler die Sprache so verunstalten? Und wie sehr befeuert dieser Fehler damit die Krankheit unserer Zeit, die Spaltung der Gesellschaft?

Eine Spaltung zwischen denen mit dem Bedürfnis, gerecht zu reden, und denen mit dem Gefühl, dass irgendetwas an dieser neuen Sprache nicht in Ordnung ist.


Eine der stärksten Wurzeln unseres Sprachenstreites liegt also in dieser ‚griechischen Verwechselungstragödie‘ des Protagoras. Hätte er damals die wahren Hintergründe der Artikel erkannt, oder sie einfach mit 1, 2 und 3 benannt, hätten wir heute keinen Gendersprachenstreit.

Dennoch die Frage: Die Protagoras’sche Fehlbenennung schlich sich auch in die Grammatiken unserer Geschwistersprachen.
Wieso schafften diese dennoch den Ausstieg aus der Sexualisierung ihrer Sprache, nicht aber das Deutsche?

Der skandinavische Weg: Frauen und Männer finden zusammen

Vom Maskulinum und Femininum zum Utrum
Erklärungsmodelle

Zeit der „Hexenverbrennungen“

Vergleich deutschsprachiger Raum und die Geschwistersprachen.
Mögliche Auswirkungen auf die Sprachentwicklung 

1680 bis 1815: die Epoche der Aufklärung

Haben Sie sich schon mal gefragt, wie es dazu kam, dass… 

  • … die Feministinnen seit den 1980er Jahren eine Sprache mit “Feminina” einfordern, obwohl genau diese Feminina sprachlich den Männern untergeordnet sind; die „Bürgerin“ also aus einem als männlich interpretierten „Bürger“ ableitet? Ähnlich wie Eva aus Adams Rippe.
  • … sogar eine ganze Forschungsrichtung, die Genderlinguistik, zwar Gerechtigkeit für alle Gender will, aber ihr ganzes Agieren dem Fortbestand dieser weiblichen Endung unterordnet? Statt auf unsere Geschwistersprachen zu schauen, die diese Endung per natürlicher Sprachentwicklung ablegten, und gleichzeitig in den Rankings zur Gendergerechtigkeit weit vor uns liegen. 
  • … dass nicht nur Gendersprachler an der “-in”-Endung festhalten wollen, sondern tatsächlich auch die meisten Gendersprachgegner. Auch sie verteidigen die Doppelnennungen als „Zeichen des Respekts“ für Frauen; übersehen dabei aber völlig deren zerstörerische Wirkung auf die alten Oberbegriffe. 

Wieso ist die „-in/-innen“-Endung so mächtig?
Obwohl sie erstens nicht gerecht ist und zweitens diese destruktive Wirkung auf die Sprache hat?

Es sieht so aus, dass die Feminina, egal ob einzeln oder als Doppelnennung, einen unsichtbaren Mantel tragen, der sie unangreifbar macht; sie vor jedem Zweifel schützt.

Wir vermuten, dass dieser Schutzmantel real ist und seinen Ursprung in der Aufklärungszeit hat. Eine Epoche, deren Name sich friedlich und harmlos anhört; was aber nichts mit der Realität dieser Zeit zu tun hat. Immerhin beendete sie die Verbrennung von Menschen auf dem Scheiterhaufen und führte gleichzeitig, obwohl sie das Gute wollte, in das furchtbare Morden unschuldiger Menschen während der Französischen Revolution. Nein, die Aufklärungszeit war alles andere als friedlich und harmlos. Sie führte uns Menschen in einem harten Kampf aus einer Zeit des willkürlichen Mordens in unsere heutige, im Vergleich dazu wirklich friedliche Demokratie.

Kaum zu glauben, dass diese wertvolle Zeit, deren Früchte zwar keiner missen will, an deren Kämpfe sich aber kaum einer erinnert, etwas mit unserem Sprachenstreit zu tun haben soll. Aber lesen Sie selbst, es ist gut möglich, dass die damaligen Vorgänge tatsächlich den Grundstein für die oben beschriebenen Widersprüche legten.
Und somit dort auch der Schlüssel zu finden ist, um unserer Sprache aus der Sackgasse zu helfen. 

Eine kleine Vorwarnung: Es geht um Zusammenhänge, die nicht einfach aufzudröseln sind. Es gibt also mehr zu lesen, als von Internetseiten gewohnt. Erwarten Sie auch nicht die gewohnten Fronten des Gendersprachenstreites, damals gab es ganz andere Fronten.

Hier geht es also in eine These, die vieles erklärt. Vieles erklärt in diesem unendlich scheinenden Streit zwischen denen, die gerecht sein wollen, und denen, die die Sprache nicht verbogen sehen wollen.


1920 – 1945: Sexualisierung der Sprache durch den Nationalsozialismus

2019 überraschte der NS-Forscher Götz Aly im Artikel „Der Aufstieg Hitlers“ in der FR die Leser mit dem Satz, Hitler wäre einer der ersten gewesen, die genderten. Er wurde kaum wahrgenommen, vielleicht weil zeitgleich Corona begann.
2025 kamen zwei Artikel des Welt-Redakteurs Matthias Heine dazu: „Gendern wie Hitler“ und „Das Gendern der Nazis – die ganze Wahrheit“.


1980: Feministische Linguistik


2017: Das Ende des binären Menschenbildes

Am 10. Oktober 2017 leitete das Deutsche Bundesverfassungsgericht eine längst überfällige Änderung des Personenstandsrechts ein. Es erkannte an, dass Kinder geboren werden, die keinem der beiden Geschlechter eindeutig zugeordnet werden können. Sie sollen zukünftig ohne Diskriminierung ohne frühe Operation so leben können, wie sie auf die Welt kamen, und erst nach der Pubertät selbstbestimmt über ihren Geschlechtseintrag entscheiden.

Der österreichische VfGH fällte einen ähnlichen Beschluss am 15. Juni 2018. Die Schweiz hat in diesem Bereich einen anderen Weg gewählt: Dort gibt es seit dem 1. Januar 2022 eine vereinfachte Änderung des Geschlechtseintrags im Ausweis, auch wenn eine dritte Geschlechtsoption bisher nicht eingeführt wurde.

Auch zu diesem Thema werden hier weitergehende Informationen erscheinen.

Fazit


Soweit der aktuelle Stand des Wegweisers, es fehlen vor allem die „NS-Zeit“, die „feministische Linguistik“ und das „Nonbinäre Menschenbild“. Ebenfalls die Unterseiten zu all den Themen. Geschätzter Stand bisher: 9 %
Gerne können Sie sich mit ihren Anregungen an der weiteren Entwicklung beteiligen!